„Grünau war im Saarland angekommen“
Diese Woche wurden insgesamt nur zwei Zeugen und eine Zeugin gehört: ein ehemaliges Mitglied der Skinhead-Szene, die Ermittlungsrichterin beim Bundesgerichtshof, bei der der Angeklagte Peter St. eine Aussage gemacht hatte, und der Ermittlungsleiter vom Saarländischen Landeskriminalamt.
Weitere Zeuginnen und Zeugen zu dem, was der Angeklagte am Abend des 18.09.1991 im „Bayerischen Hof“ gesagt hat, werden in den nächsten beiden Wochen folgen. Dann ist aus Sicht des Gerichts die Beweisaufnahme zu diesem Punkt abgeschlossen – der Vorsitzende kündigte an, dass das Gericht dann eine Einschätzung zu diesem Punkt abgeben werde. Im Klartext also: käme das Gericht dazu, dass dem Angeklagten eine Aufforderung zu einem Brandanschlag (und nicht nur zu Randale) nicht nachgewiesen werden kann, müssen auch die Umstände des Brandanschlags nicht aufgeklärt werden, sondern das Gericht würde dann freisprechen wollen. Sieht es dagegen eine Aufforderung zu einem Brandanschlag als beweisbar an, geht es dann mit der Beweisaufnahme zu dem Anschlag selbst weiter. Zu diesem Themenkomplex konnte von den Zeug_innen diese Woche letztlich nur EKHK Eckert vom LKA Saarbrücken Wesentliches beitragen. Im Einzelnen:
Das ehemalige Mitglied der Saarlouiser Nazi-Skinhead-Szene bestätigte, was auch alle anderen aus der Szene ausgesagt haben: dass Peter St. in dieser Szene 1991 das Sagen hatte, dass seine „Kameraden“ durchaus auch Angst vor ihm hatten, dass St. den Zeugen Heiko Sch. nach dessen Szene-Ausstieg verprügelt und ihm „Saarlouis-Verbot“ erteilt hatte.
Die Ermittlungsrichterin am Bundesgerichtshof sollte von einem Haftprüfungstermin berichten, bei dem sich der Angeklagte ausführlich zur Sache geäußert hatte. Sie hatte sich damals von seinen Erklärungen nicht überzeugen lassen und den Haftbefehl gegen ihn aufrechterhalten. Die Verteidigung widersprach gestern zunächst der Vernehmung der Richterin mit der Begründung, der Angeklagte sei damals nicht richtig belehrt worden – nachdem ihn die Polizei fälschlicherweise als Zeugen statt als Beschuldigten vernommen hätte (s. den Bericht vom 2. Hauptverhandlungstag), hätte er beim BGH qualifiziert belehrt werden müssen. Nun hat allerdings der Termin beim BGH nur deswegen stattgefunden, weil RA Stahl das beantragt hatte – und ausdrücklich angekündigt hatte, dass sich St. ausführlich äußern werde. Hier zeigt sich erneut, dass die Verwertungswidersprüche der Verteidigung nur Nebelkerzen sind, zumal es ja für den Tatnachweis auf die Angaben St.s ohnehin nicht ankommt. Das Gericht wies den Widerspruch zurück, die Richterin schilderte, was St. im Termin bei ihr ausgesagt hatte.
Die Befragung von EKHK Eckert schließlich war vor allem mit Blick auf zwei Punkte relevant und hat aus unserer Sicht zum Nachweis, dass St am 18.07. zu einem Brandanschlag aufgefordert hat, beigetragen: Zum einen wurde er zur Bedeutung der Tatsache befragt, dass der Zeuge Heiko Sch. sich nicht festlegen wollte, ob St. nun gesagt habe, in Saarlouiser sollte „auch mal etwas brennen“ oder „auch mal so etwas passieren“. Die einleuchtende Antwort des Zeugen: aus seiner Sicht mache das keinen Unterschied, denn Sch. habe das jeweils im Zusammenhang mit Diskussionen zu Brandanschlägen gesagt. Und dann sei es doch letztlich synonym, zu sagen, dass „so etwas“ – also ein Brandanschlag – „passieren“ müsse oder dass „etwas brennen“ müsse. Auch die Tendenz von Heiko Sch., seine Angaben zu dem, was Peter St. damals gesagt habe, im Laufe der Vernehmungen immer weiter zurückzunehmen, konnte EKHK Eckert ganz einfach erklären: „Die Angst wird immer größer vor dem St., das zieht sich durch wie ein roter Faden.“
Der Zeuge Eckert äußerte sich auch zum Thema, welche Angriffe am 18.09. Thema im Bayerischen Hof gewesen sein dürften – aus unserer Sicht dürfte das ja der Angriff in Leipzig-Grünau Ende August 1991 gewesen sein (vgl. unseren Bericht zum 4. Prozesstag). Hierzu konnte der Zeuge klar sagen: „Grünau war im Saarland angekommen.“ Die Szene schaute sehr gebannt auf die Angriffe im Osten Deutschlands, es gab in Saarlouis Kontakte zu ostdeutschen Neonazis, Heiko Sch. selbst hatte eine Einladung zu dem Störkraft-Konzert erhalten, das den Angriffen in Grünau unmittelbar vorausging.